Friedensnobelpreis 1953: George Catlett Marshall

Friedensnobelpreis 1953: George Catlett Marshall
Friedensnobelpreis 1953: George Catlett Marshall
 
Der amerikanische Militär und Politiker erhielt den Friedensnobelpreis für den nach ihm benannten Plan zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Westeuropas.
 
 
George Catlett Marshall, * 31. 12. 1880 Uniontown (Pennsylvania), ✝ 16. 10. 1959 Washington D.C.; 1938-45 US-Generalstabschef und militärischer Berater von Präsident Franklin Delano Roosevelt, 1945 Sonderbotschafter in China, 1947-49 US-Außenminister, 1950-51 US-Verteidigungsminister.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
George Marshall gehört zu jenen Persönlichkeiten, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs maßgeblich die Geschicke der Weltpolitik mitgestaltet haben. Der von ihm entwickelte Marshall-Plan gilt bis heute als ein Meilenstein auf dem Weg zur Herstellung einer stabilen Nachkriegsordnung in Westeuropa. Andererseits steht er aber auch für den Beginn des Kalten Kriegs, der über Jahrzehnte die Beziehungen zwischen dem von den USA geführten Westen und dem sowjetisch geführten kommunistischen Osten prägte.
 
 Mit Leib und Seele Soldat
 
Die Karriere von George Marshall deutete zunächst nicht darauf hin, dass sie einmal von einem Friedensnobelpreis gekrönt werden würde. Von frühster Jugend an galt sein Interesse dem Beruf des Soldaten. Er besuchte verschiedene Militärakademien, nahm 1898 am Spanisch-Amerikanischen Krieg auf den Philippinen teil und war bereits im Ersten Weltkrieg in führender Position bei den US-Aktionen in Frankreich tätig. 1938 zum Generalstabschef befördert, war Marshall nach dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg für die strategischen Unternehmungen der amerikanischen Streitkräfte (unter anderem die Landung in der Normandie) verantwortlich.
 
Der Zweite Weltkrieg hatte in der Weltpolitik neue Fronten geschaffen. Aus den ehemaligen Verbündeten USA und Sowjetunion waren inzwischen Gegner geworden. Während der sowjetische Diktator Josef Stalin konsequent daranging, im Osten Europas einen kommunistischen Herrschaftsbereich aufzubauen, schwankte die Politik der USA zwischen einem traditionellen Kurs der Isolation und der Verpflichtung, eine führende Rolle in der internationalen Politik zu übernehmen. Harry Truman, der in den letzten Monaten des Kriegs US-Präsident geworden war, stand für eine offensive Richtung. Im März 1947 formulierte er die so genannte Truman-Doktrin: Die USA wollten allen freien und demokratischen Staaten gegen Versuche der Unterdrückung von innen und von außen helfen. Das war vor allem eine Antwort auf die Herausforderung durch Stalins Politik der Herstellung eines von der Sowjetunion kontrollierten Machtbereichs. Von Stalin unterstützte kommunistische Aufstände in Griechenland und der Türkei lieferten 1948 einen ersten Testfall für die neue Linie der amerikanischen Außenpolitik.
 
Vor allem aber galt das Augenmerk der US-Regierung den Verhältnissen in Westeuropa. Hier herrschte in den meisten Staaten noch große wirtschaftliche Not. In Washington befürchtete man, dass diese Situation die westeuropäischen Staaten in die Arme der Kommunisten treiben könnte. Daraus folgerten die verantwortlichen Politiker, dass es im amerikanischen Interesse liegen würde, wenn man den Westeuropäern umfangreiche Wirtschaftshilfe leistete: Man konnte auf diese Weise den Einfluss der Kommunisten zurückdrängen, und außerdem würden sich der US-Wirtschaft auf einem erholten europäischen Markt wichtige Absatzgebiete erschließen.
 
 Der Marshall-Plan
 
Marshall, den Präsident Harry Truman 1947 zum Außenminister ernannt hatte, wurde zur treibenden Kraft dieser neuen Strategie. »Unsere Politik«, so sagte er im Juni 1947, »richtet sich nicht gegen irgendein Land oder irgendeine Doktrin, sondern gegen Hunger, Armut, Verzweiflung und Chaos. Ihr Zweck soll sein, das Funktionieren der Weltwirtschaft wiederzubeleben, sodass politische und soziale Bedingungen entstehen, unter denen freie Institutionen existieren können.« Anfang 1948 waren, nicht zuletzt dank der Überzeugungsarbeit Marshalls, die politischen und auch bürokratischen Widerstände in Amerika gegen das Projekt beseitigt. 16 europäische Länder und die drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands wurden in das »Europäische Wiederaufbauprogramm«, das man bald nur noch »Marshall-Plan« nannte, aufgenommen. Als Mitte 1948 der Strom von Geldern, Rohstoffen und Maschinen in Richtung Europa gerade zu fließen begonnen hatte, reagierte Stalin am 24. Juni mit der Blockade Berlins: Das Kappen sämtlicher Straßen- und Eisenbahnverbindungen verhinderte die Lieferung der lebenswichtigen Güter in den Westsektor der geteilten Stadt. Durch die Einrichtung einer Luftbrücke meisterten die Amerikaner in Kooperation mit den Engländern und den Franzosen diese kritische Situation.
 
In den folgenden Jahren bescherte der Marshall-Plan den freien europäischen Staaten einen ungeahnten wirtschaftlichen Aufschwung. Insgesamt investierten die Amerikaner bis 1951 eine Summe von 13 Milliarden Dollar, und die Rechnung ging auf: Mit dem steigenden Wohlstand, mit dem Aufblühen von Wirtschaft und Industrie gingen die Menschen zunehmend auf Distanz zum kommunistischen System. Gleichzeitig flossen Teile der Gelder in die USA zurück, wenn die Europäer amerikanische Waren kauften. Die Fronten zwischen Ost und West aber hatten sich verhärtet. Die Westeuropäer schlossen sich enger an die Amerikaner an und die Sowjets waren darauf bedacht, ihren eigenen Machtbereich zu sichern. Ein »Eiserner Vorhang« war mitten in Europa entstanden, es begann der Kalte Krieg.
 
 Proteste gegen den Preisträger
 
Nicht jedem gefiel es, dass Marshall 1953 den Friedensnobelpreis erhielt. Manche hielten es für widersinnig, dass ein Berufssoldat geehrt wurde. Bei der offiziellen Feier der Verleihung kam es sogar zu einem Skandal, als einige Zuhörer lautstark gegen den Preisträger protestierten, ihn gar als »Mörder« bezeichneten, weil er dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima zugestimmt hatte. Marshall hatte solche Kritik offenbar vorausgesehen. In seiner Dankesrede wies er darauf hin, dass gerade er als gelernter Militär beurteilen könne, was Krieg bedeute: »Ich weiß genug von den Schrecken und Tragödien des Kriegs.« Und mit Bezug auf seine damalige Tätigkeit als Vorsitzender der amerikanischen Kriegs- und Gedenkstättenkommission fügte er hinzu: »Was ein Krieg an Menschenleben kostet, das steht mir ständig vor Augen, unübersehbar in viele Kontobücher geschrieben, deren Spalten aus Reihen von Grabsteinen bestehen. Es ist mir zutiefst daran gelegen, Mittel und Wege zu finden, weiteres Kriegsunheil zu vermeiden.«
 
H. Sonnabend

Universal-Lexikon. 2012.

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